Letzte Woche saß ich mal wieder in meiner ‚Heimlinie‘, am Weg von der Bibliothek in die Einkaufsstraße, um mein Handy aus der Reparatur zu holen. Wie so oft pendelte mein Blick gedankenverworren zwischen Fenster und anderen Fahrgästen hin und her. Und wieder ist er hängen geblieben. Bei einem Mädchen (ich glaube, ich beobachte gerne Mädchen. Vielleicht liegt es daran, dass ich mich immer frage – sind sie mir ähnlich, kenne ich jemanden wie sie, könnte ich mich mit ihr verstehen?), einem blonden, hübschen Mädchen. Es wird etwa so alt gewesen sein wie ich, vielleicht ein wenig jünger. Doch etwas irritierte mich an ihr. Ich schaute doch noch einmal hin (unauffällig – oder zumindest versuchte ich nicht allzu auffällig zu wirken). Ja, das war das Zwerchfell, das sich da ruckartig bewegte, denn ihr kullerte eine Träne über die Wange. Vorsichtig wischte sie sie weg und tupfte mit dem Taschentuch über die geschminkten Augen. Es war deutlich zu merken, dass sie es gerne unterdrückt hätte, doch sie konnte nicht (war wohl ein Fall von ‚ich kann mich mit ihr identifizieren‘). Je länger ich da saß und sie verstohlen beim Weinen beobachtete, umso stärker wurde das Bedürfnis, mich ihr gegenüber hinzusetzen und sie zu trösten. Doch dann waren da die Hemmungen. Wie würde sie das finden? Vermutlich würde sie nicht mit jemand wildfremdem reden wollen. Doch ich hätte gerne gewusst, was sie so traurig machte. Ich kämpfte lange mit mir – bis sich eine beleibte Frau (wie häufig in der Gegend war sie wohl aus dem Süden. Vielleicht Rumänien) ihr gegenüber setzte. Auch ihr fiel auf, dass das Mädchen weinte und sie deutete es ihrem Begleiter.
Ich war verärgert über meine eigene Feigheit und darüber, dass ich die Chance verpasst hatte, jemandem ein Lächeln zu schenken – denn nun war der Platz gegenüber von ihr besetzt.
Trotzdem konnte ich meine Gedanken nicht vollständig von ihr wenden und bemerkte, dass sie immer wieder aufs Handy stierte. Es in die Hand nahm – aufklappte, zuklappte. Wütend, verletzt, verzweifelt.
Es schien zu läuten, sie hob ab. „Kannst du jetzt nicht noch kurz auf mich warten?“ – wütend, verletzt. Der Anrufer schien aufgelegt zu haben. Verzweifelt. Die Tränen ronnen ihre Wangen entlang.
T.straße – ich musste aussteigen